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Nachruf auf Georg Zundel

* 17. Mai 1931 in Tübingen; † 11. März 2007 in Salzburg

 

Am 11. März 2007 starb im Alter von fast 76 Jahren der bedeutende Naturwissenschaftler und Mäzen Dr. Georg Zundel, Professor für Physikalische Chemie an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Seine Beerdigung fand am Freitag, den 23. März in Haisterkirch bei Bad Waldsee statt.

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Seine Kindheit verbrachte Georg Zundel auf dem elterlichen Gutshof, dem „Berghof“ bei Tübingen. Aus dieser Erfahrung in Zeiten der Lebensmittelknappheit rührten seine lebenslange Liebe und Wertschätzung der Landwirtschaft. Gleichzeitig war Zundel durch sein Elternhaus bereits in jungen Jahren mit einem Umfeld konfrontiert, welches durch die politischen und wirtschaftlichen Spannungen dieser Zeit geprägt war. Seine Mutter war Paula Zundel, die Tochter des Unternehmers Robert Bosch. Der Vater, Georg Friedrich Zundel, war in erster Ehe mit der Frauenrechtlerin Clara Zetkin verheiratet. Als Maler von großformatigen Arbeiterportraits hatte er um die Wende zum 20. Jahrhundert Aufsehen erregt.

Georg Zundel studierte in Frankfurt und München Physik und schlug eine Laufbahn als Wissenschaftler ein. Als solcher leistete er einen nachhaltigen Beitrag zur Wasserstoffbrücken-Forschung, wobei das „Zundel-Ion“ H5O2+ zu seinen bekanntesten Entdeckungen gehört. Über die Grenzen des kalten Kriegs hinweg verstand er Wissenschaft stets als universelle Aufgabe. Anfang der 60er Jahre war er als einer der ersten Austauschforscher an einem naturwissenschaftlichen Institut in Moskau tätig. Bald darauf erschien sein international bedeutendes Buch „Hydration and Intermolecular Interaction. Infrared Investigations with Polyelectrolyte Membranes“, sowohl in Englischer als auch Russischer Sprache. Mit Beginn der 70er Jahre forcierte er eine intensive Zusammenarbeit mit vor allem polnischen Kollegen, wofür er 1985 zum Ehrenmitglied der „Polnischen Chemischen Gesellschaft“ ernannt wurde. Sein wissenschaftliches Gesamtwerk umfasst mehr als 300 Publikationen.

Sein familiärer Hintergrund ermöglichte es Zundel, beachtliche gemeinnützige Projekte zu verwirklichen. Mitte der 60er Jahre ließ er gegen massive Widerstände in Tübingen ein Studentenwohnheim errichten, um der damals akuten Wohnungsnot der Studenten abzuhelfen. Auch die Stiftung der 1971 eröffneten Kunsthalle Tübingen durch seine Mutter Paula und seine Tante Margarete Fischer-Bosch war ihm ein großes Anliegen. Politisch engagierte sich Zundel 1949 gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. In den Jahren 1958-61 beteiligte er sich aktiv an Protesten gegen die diskutierte Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. 1966 war er an der Gründung der Gesellschaft für Verantwortung der Wissenschaft (GVW) beteiligt. Den bedeutendsten philanthropischen Beitrag leistete Zundel aber durch seinen Einsatz für die Friedens- und Konfliktforschung, wobei er stets Wert auf deren Praxisrelevanz legte. Mit der Gründung der „Berghof Stiftung für Konfliktforschung“ im Jahre 1971 wurde Zundel zu dem bis heute wichtigsten privaten Förderer dieses damals noch jungen Forschungszweigs. Zu den wichtigsten Projekten der Stiftung zählen das in Berlin gegründete Berghof Forschungszentrum und das nachhaltig geförderte Institut für Friedenspädagogik in Tübingen. Beide Einrichtungen konnten sich dank Zundels kontinuierlicher und flexibler Unterstützung einen bundesweiten und internationalen Ruf erwerben. Sein Engagement für den Frieden wurde unter Johannes Rau mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt.

Auch in der Land- und Forstwirtschaft beschritt Zundel neue Wege. Im Kärntner Maltatal erwarb er einen Forstbetrieb. Die Erschließung und intensive Aufforstung dieses Hochgebirgsforstes stellten eine neue Herausforderung für ihn dar. Den seit nunmehr über 70 Jahren im Familienbesitz befindlichen „St. Georgshof“ in Haisterkirch bei Bad Waldsee, einen Ackerbau- und Milchviehbetrieb, modernisierte Zundel. Er erkannte früh die Bedeutung der Alternativenergien und richtete bereits 1981 auf dem Hof eine erste Biogasanlage ein, mittlerweile wird eine Leistung von 50 kW Strom erzeugt. In diesem Sinne engagierte er sich auch sehr früh in vielfältiger Weise im Bereich der Solarenergie. Als Unternehmer betätigte sich Zundel, indem er 1966 das „Physikalisch-Technische Laboratorium Berghof GmbH“ gründete, die Keimzelle der bestehenden Berghof Firmengruppe. Aus langjähriger Innovation und Entwicklung ging eine breite Produktpalette in den Bereichen Automation und Umwelttechnik hervor. Die Zundel-Holding umfasst heute vier Firmen mit Standorten in Eningen, Tübingen, Weingarten, Mühlhausen/Thüringen und Chemnitz.

Georg Zundel war ein bemerkenswerter Mensch. Er hatte den Krieg und die Bombenangriffe auf Tübingen und die Kämpfe bei Kriegsende als Kind erlebt und von den Gräueltaten des Nationalsozialismus erfahren. Er konnte von den Ängsten, die diese Schockerfahrungen in ihm auslösten und ihn bis an sein Lebensende bewegten, sprechen und war von Selbstzweifeln und vielerlei Anfeindungen nicht verschont. Dabei verfügte er über einen ausgeprägten Humor, war gutem Essen und Trinken nicht abgeneigt und zugleich ein begeisterter Skitourengeher, Bergsteiger und Fernreisender. Noch 1998, zwei Jahre nach der Pensionierung, führte ihn eine ausgiebige Vortragsreise nach China. Vorträge in den USA, Kanada, Japan, Indien und vielen anderen Ländern dieser Erde waren vorausgegangen.

Seine auch zeitgeschichtlich interessanten und streckenweise durchaus amüsant zu lesenden, Konflikte keineswegs aussparenden Lebenserinnerungen sind 2006 zu seinem 75. Geburtstag unter dem Titel „’Es muss viel geschehen!’ Erinnerungen eines friedenspolitisch engagierten Naturwissenschaftlers“ im Verlag für Wissenschafts- und Regionalgeschichte Dr. Michael Engel, Berlin, erschienen.


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